ocwl11 – Einheit 1: 'Knowledge Building' und 'offenes Lernen'
Eindrücke und Gedanken zur Einheit 1 des Open Course Workplace Learning 2011 (18. – 31. Okt. 2011); Themen: Knowledge Building – Kollaboration statt Lernen; Ist die Zukunft des Lernens offen?
Hinweis: Obwohl der Kurs (10/2011 – 01/2012) bereits begonnen hat, ist ein Einstieg jederzeit möglich. Registrieren Sie sich dazu einfach auf der Kursseite, abonnieren Sie den Kurs-Newsletter, verschaffen Sie sich einen Überblick (Themen, Blog, Newsletter, Kurs-Forum, Zeitung, Storify, etc.) und, wenn Sie möchten, beteiligen Sie sich am Kursgeschehen.
Wie läuft eine Kurseinheit ab?
Bevor ich thematisch in die Einheit 1 des ocwl11 einsteige, möchte ich vorweg etwas darüber sagen wie so eine Einheit idealerweise abläuft (⇒ Struktur) und erzählen, wie die erste Einheit in Wirklichkeit abeglaufen ist.
- Knowledge Building; Offenens Lernen (18.10.-31.10.)
- Kollaborationsskripte; Adaptive Lernsysteme (01.-14.11.)
- Transaktives Gedächtnis; Interpersonaler Informationsaustausch (15.-28.11.)
- Wissensspirale; Reflektives Lernen (29.11.-12.12.)
- Soz.psych. Aspekte computermed. Kommunikation; tba (13.12.-09.01.)
- Grounding in Communication; Virtuelles Training (10.-23.01.)
Wie schon erwähnt, handelt es sich hier eigentlich um eine Lehrveranstaltung des Fachbereichs Psychologie der Universität Tübingen, an der aber auch Nicht-Studierende online teilnehmen können.
Eine Kurseinheit dauert zwei Wochen. Sie besteht aus einer Veranstaltung vor Ort, für Studierende an der Uni Tübingen (Seminar), und einer Veranstaltung online (Vortrag), an der dann auch Nicht-Studierende Kursteilnehmer teilnehmen können (⇒ Termine, Themen & Literatur). Das Seminar findet in den Räumen des Institut für Wissensmedien, an der Uni Tübingen statt, der Vortrag online via Adobe Connect, bei e-teaching.org. Nach den beiden Veranstaltungen geht der Kurs massiv offen und online weiter (⇒ Was ist ein Massive Open Online Course).
Vor Beginn einer Einheit erhalten alle Teilnehmer vom Kurseiter, Dr. Johannes Moskaliuk, den Hinweis auf die Basisliteratur der Einheit und weitere Quellen zur Vertiefung (⇒ Einstieg). Die Basisliteratur aller Einheiten steht übrigens seit Beginn des Kurses allen Teilnehmern auf der Kursseite – zumeist als download – zur Verfügung. Kurz nach dem Hinweis, der per Newsletter an alle Kusteilnehmer verschickt wird, findet am darauffolgenden Montag das Seminar an der Uni Tübingen statt. In diesem erarbeiten und vertiefen die Psychologiestudenten der Uni – im Folg. nur noch Offline-Studenten genannt – die Inhalte des Themas. Die Ergebnisse der Ausarbeitungen werden als sog. Reports online auf der Kursseite den Nicht-Studierenden – im Folg. nur noch Online-Studenten genannt – zur Verfügung gestellt. Danach findet idealerweise ein thematischer Austausch zwischen Offline- und Online-Studenten aber natürlich auch zwischen den Online-Studenten untereinander statt – die Kursinhalte werden online weiter erarbeitet, vertieft und ausgearbeitet, reflektiert und diskutiert.
„Die Teilnehmer lesen, diskutieren, stellen Fragen, teilen weiteres Material und entwickeln weiterführende Ideen, entweder direkt im Kurs-Blog oder wo auch immer im Netz (im eigenen Blog, bei Facebook, über Twitter, über YouTube).“ (Quelle: Die Idee)
Um den Austausch zwischen Offline- und Online-Studenten anzuregen bzw. um die Offline-Studenten dazu zu bewegen online in Aktion zu treten, gibt es die sog. Kurspatinnen bzw. -paten aus dem Web, die auf die Ausarbeitungen der Offline-Studenten initial ragieren sollen.
„“PatInnen” …, die jeweils die Patenschaft für ein Thema übernehmen. Die PatInnen machen es sich zur Aufgabe, auf die Berichterstattung der ReporterInnen [bzw. Offline-Studenten] zu antworten mit weiterführenden Ideen, Anregungen und Feedback (z.B. im eigenen Blog) um so den Dialog zwischen Innen und Außen anzustoßen und weiterzuführen. Sie übernehmen damit eine Fürsorgepflicht für die Inhalte, die in den Offline-Phasen erarbeitet werden, durchaus auch im Sinne einer “Kontrolle” von allzu praxisfernen und theoretischen Überlegungen.“ (Quelle: Paten aus dem Web gesucht)
Nach dem einwöchigen Austausch online findtet der Online-Vortrag am zweiten Montag der Kurseinheit statt. In diesem vertieft ein/e Referent/in das Thema der Kurseinheit aus empirischer oder praktischer Sicht und diskutiert anschließend mit den Kursteilnehmern darüber.
Danach beginnt wieder der Austausch online, die Einheit klingt aus und die nächste Kurseinheit beginnt am darauffolgenden Dienstag. Am Freitag nach dem Online-Vortrag zieht in erster Linie der Kursleiter, Dr. Johannes Moskaliuk, noch ein abschließendes Fazit zur Kurseinheit.
So soll es sein!
Und wie war es wirklich bei der ersten Einheit?
Nun ja, sagen wir mal „Duchwachsen!“ oder „Aller Anfang ist schwer!“ :-)
Der Hinweis auf die Literatur der ersten Einheit wurde am Folgetag des Kick-Offs verschickt, so dass man genügend Vorbereitungszeit bis zur ersten Veranstaltung der Kurseinheit hatte – sieben Tage.
Das Seminar vor Ort in Tübingen musste wegen Raummangel am Institut für Wissensmedien in den virtuellen Raum verlegt werden – wieder in einen EtherPad. Da dies via eMail und über twitter angekündigt wurde, hätten auch Online-Studenten die Gelegenheit gehabt am Kursgeschehen der Offline-Studenten teilzunehmen. Ich war primär passiv anwesend und erhielt dabei zunächst einen sehr angenehmen Eindruck von den Offline-Studenten. Sie schienen theamtisch kompetent und technisch agil zu sein.
Dieser erste Eindruck wurde leider nicht, wie gewünscht, nach der Veranstaltung massiv offen und online bestätigt. Der Report der Offline-Studenten (⇒ Sechs Aspekte von Knowlege Building) wurde nicht, wie vorgesehen, von den Offline-Studenten, sondern vom Kursleiter veröffentlicht und auf den Beitrag der Themenpatin Dörte Giebel (⇒ Building ≠ Sharing – Plädoyer für Open Knowledge Communities) gab es seitens der Offline-Studenten keine Resonanz. Das lag aber wohl in erster Linie daran, dass die Offline-Studenten noch gar keine administrative Berechtigung zum schreiben eines Reports hatten, geschweige denn wussten, wie man einen solchen Report auf der Kursseite veröffentlicht. Hinzu kam sicherlich auch, dass ihnen nicht wirklich bewußt war, dass das „Geschehen nach der Veranstaltung“ mit Bestandteil ihrer Kursleistung sein wird (⇒ von Johannes zu 'Building ≠ Sharing – Plädoyer…'). Vielleicht tat aber auch der Beitrag von Dörte Giebel sein übriges dazu, wer weiss. In jedem Fall regte Dörtes Beitrag zu heftigen Diskussionen zwischen den Online-Studierenden bzw. KurspatInnen an. Leider waren die Diskussionen weniger thematischer als konzeptioneller Natur, wozu auch ich sicherlich meinen Teil beitrug. Anstatt das Kursthema 'Knowledge Building – Kollaboration statt Lernen' weiter zu vertiefen, wurde überwiegend über den Umgang mit passiven Kursteilnehmern, deren Aktivierung und die Rolle der KurspatInnen diskutiert (⇒ Diese Möhre ess’ ich nicht!, Welche Rolle hat eine Patin in einem MOOC?, Kommentare zu 'Building ≠ Sharing – Plädoyer…').
Der Online-Vortrag von Dr. Jochen Robes „Ist die Zukunft des Lernens offen?“ war wirklich sehr aufschlußreich und ein gut gewählter, praktisch vertiefender Abschluß der Kurseinheit (⇒ Aufzeichnung des Vortrags). Adobe Connect als Plattform für den Vortrag war auch eine angemessene Wahl, wenngleich die Möglichkeit des zusätzlichen Chats den Einen oder Anderen sicherlich vom eigentlichen Vortrag abgelenkt hat. Umgekehrt war es sicherlich genauso. Johannes Moskaliuk, der als Moderator des Vortrags fungierte, hatte aber immer ein Auge auf den Chat, notierte aufkommende Fragen und warf sie zwischendurch und im Anschluß in die Runde, so dass auch dadurch am Ende eine gute Diskussion aufkam.
Das abschießende Fazit der Kurseinheit mit dem Link zur Aufzeichnung des Online-Vortrags, ließ leider auf sich warten und wurde nicht, wie vorgesehen, „Am zweiten Freitag“ der Kurseinheit präsentiert.
Gemeinsam statt einsam lernen (im Unternehmen)
Die Theorie des 'Knowledge Building'
Die primär für den Bereich Schule entwickelte Theorie des 'Knowledge Building' – zu deutsch Wissensaufbau – ist der zentrale Inhalt dieser ersten Einheit. Die Theorie stammt aus der Feder der kanadischen Erziehungswissenschaftler Marlene Scardamalia und Carl Bereiter (⇒ Institute for Knowledge Innovation and Technology der Univ. Toronto).
„[Sie] beschreibt eine Form des konstruktivistischen Lernens: Der Lernende wird aktiver Teil einer „Lerngemeinschaft“, die ein kollektives Wissen generiert, das jedem einzelnen Mitglied frei zugänglich ist und von diesem modifiziert werden kann. Nicht das lernende Individuum steht hier im Fokus, sondern dessen Beitrag zur Konstruktion von [Allgemeinwissen (public knowledge)].“ (Quelle: Wikipedia)
Die sechs zentralen Aspekte dieser Theorie wurden in der Seminarveranstaltung der Kurseinheit (Ergebnisse) wie folgt definiert:
- Community statt individueller Leistung
- Lernen als kreativer Prozess
- Kompetenz statt Wissen
- Diskurs als gemeinsames Problemlösen
- Hinterfragen von Autoritäten
- Verstehen als Emergenz
Auf Grundlage dieser Aspekte wurden in der Veranstaltung auch gleich Konzequenzen für das Lernen am Arbeitsplatz, das 'Workplace Learning', abgeleitet. Auch Dr. Johannes Moskaliuk, der Leiter des Kurses, hat in einem „Wissensblitz“ noch einmal auf die Relevanz der Theorie für Organisationen bzw. Unternehmen hingewiesen.
Nun stellt sich allerdings die Frage, ob es so einfach und überhaupt sinnvoll ist, einen Ansatz, der für den Bereich Schule entwickelt wurde, auf Unternehmen zu übertragen. Die zu berücksichtigenden Protagonisten sind ja ganz andere (Personalverantwortliche vs Lehrer; Mitarbeiter vs Schüler) und die motivationalen Voraussetzungen (Wollen – Können – Dürfen – Müssen – Sollen) sind auch unterschiedlich. Und letztendlich ist Wissensaufbau in der Schule „Unternehmensziel“, während er in wirtschaftlichen Unternehmen nur dispositiven, sprich unterstützenden Charakter, zur Erreichung des eigentlichen Unternehmensziels – den wirtschaftlichen Erfolg – hat.
„Ganz einfach! Alles eine Frage der richtigen Unternehmenskultur und eines effizienten Change Managements“, würde der gemeine Unternehmsberater wahrscheinlich darauf antworten. So einfach ist das? Wirklich?…
Hat offenes Lernen eine Zukunft (im Unternehmen)?
Dr. Jochen Robes berichtete in seinem Vortrag 'Ist die Zukunft des Lernens offen?' (⇒ Aufzeichnung) zunächst über die Erfahrungen mit dem 'Open Course 2011 – Zukunft des Lernens ' (opco11), den er zusammen mit studiumdigitale der Uni Frankfurt Mitte des Jahres durchgeführt hatte. Weiterhin stellte er Trends im Bereich des offenen Lernens vor. Neben Open Courses bzw. MOOCs waren das BarCamps, Blog Carnivals, twitter chats, Open Educational Resources / Practices sowie Open Accreditation / Badges. Anschließend erörterte er, ausgehend von der „These: Es kann keine „Massive Open Online Courses“ in Unternehmen geben!“, die Frage „Wie können offene Bildungsangebote im betrieblichen Kontext aussehen? Welche Voraussetzungen, Konzepte und Ansatzpunkte gibt es?“. Diese Frage stellte er zur Diskussion.
Auf Herrn Robes These kam sofort die Frage „Warum nicht?“ und schon war das Konzept des 'Corporate Open Online Courses' (COOC) geboren :-) Inwieweit sich ein solches Format allerdings realisieren lässt, sei einmal dahingestellt – insbesondere, wenn es sich um konstruktive Lerninhalte handelt, die erst gemeinschaftlich erarbeitet werden müssen.
In jedem Fall hat Herr Robes aber in seinem Vortrag zwei, meines Erachtens, wichtige, interdependente Fragen angeschnitten, die es vor allem auch dann zu berücksichtigen gilt, wenn man MOOCs bei Unternehmen etablieren möchte.
- Wenn überhaupt, wie professionell muss ein MOOC durchgeführt werden?
- Wenn überhaupt, wie soll man mit den passiv Teilnehmenden – den sog. Lurkern – umgehen?
Will man MOOCs in die Unternehmen tragen, so sollte doch schon ein gewisses Maß an Professionalität bestehen. Selbes gilt, wenn man die passiven Teilnehmer zum Beitragen animieren möchte. Und da ein MOOC von der aktiven Beteiligung seiner Teilnehmer lebt, muss man sich wohl oder übel mit den vielfältigen Belangen der passiven Teilnehmer außeinandersetzen. Warum nehmen sie nicht aktiv am Kursgeschehen teil? Es reicht nicht festzustellen „Jeder lernt halt anders, das muss man akzeptieren.“. Es gilt viel mehr Voraussetzungen und Anreize zu schaffen durch die sich die passiven Teilnehmer freiwillig auch aktiv beteiligen.
Zum Thema passive Teilnehmer:
- Lave, J.; Wenger, E.: Situated learning: Legitimate Peripheral Participation. Cambridge, 1991.
- Wenger, E. et al: Digital Habitats: Stewarding Technology for Communities. Portland, 2009.
- Robes, J.: Lurking or Legitimate Peripheral Participation. weiterbildungsblog, 19.07.2011.
Auf diesen Beitrag wurde von Dr. Markus Deimann (Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung, FernUniversität Hagen) im Handbuch e-Learning hingewiesen.
Sie können Herrn Deimanns Artikel auf dessen Webseite lesen und herunterladen.