DACH KM Newsletter:2010-12/(xArtikel) Wissensmanagement bei Finanzdienstleistern (Carsten Held)
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Zusammenfassung
Im Zeitraum von Oktober 2008 bis November 2009 wurde im Rahmen meiner Dissertation ein Datenerhebungsmix (mittels Fragebogen, Befragungen und Beobachtungen) zum Thema Wissensmanagement (WM) bei Finanzinstituten im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Im Fokus der Studie stand das von insgesamt 14 Unternehmen der Branche praktizierte WM. Folgend werden – stark verallgemeinert – die Kernerkenntnisse der Studie kurz skizziert.
- Stichworte: Wissensmanagement, Umfrage, Finanzdienstleister
Wissensmanagement bei Finanzdienstleistern: im Westen nichts Neues- oder doch?!
Auf den ersten Blick
Unter den betrachteten Unternehmen zeigt sich ein stark heterogenes Bild bzgl. des allgemeinen Zustandes und Reifegrades des praktizierten WM sowie den im Einzelnen eingesetzten WM-Methoden und WM-Modellen. Es wird deutlich, dass eine faktisch gelebte Einbindung von WM auf strategischer und operativer Ebene überwiegend fehlt. Soweit – oft lediglich in Teilbereichen – von einem vorhandenen WM gesprochen werden darf, wird dies vor allem durch engagierte Einzelpersonen getragen.
Eine erste Reaktion auf die Datensammlung und einen Großteil der damit abgeleiteten Ergebnisse muss also lauten: „Im Westen nichts Neues“! Es gibt weder deutlich mehr Unternehmen der Finanzbranche, welche WM praktizieren, noch bahnbrechend neue „best practices“, über die verheißungsvoll berichtet werden könnte. Verbessert hat sich jedoch z. B. das Verständnis über den Zusammenhang von WM und Innovation: einer daran ausgerichteten Vorgehensweise (z.B. dem Einsatz von WM-Methoden in diesem Bereich, der Zuordnung von Innovationsteams zum Bereich WM oder auch der Angliederung des Vorschlagswesens an das WM) wird immer mehr Beachtung geschenkt. Allerdings…
Auf den zweiten Blick
Reizwörter wie “RBV” oder “KBV” und die damit verbundenen gedanklichen Strukturen und Methoden sind in der Praxis nicht bekannt und verhindern ein “sauberes” und strategisch geprägtes WM. (RBV und KBV werden an dieser Stelle ganz bewusst nicht erläutert: vielleicht findet der ein oder andere Leser die Zeit, sich mit den Stichworten „RBV“ und „WM“ bzw. „KBV“ und „WM“ auf eine kurze und garantiert interessante Wissensreise zu begeben – gerne stehe ich als „Reisebegleiter“ zur Verfügung.) Insgesamt liegt es nahe, WM mit den Anfängen von Qualitätsmanagement zu vergleichen: isoliert, nicht in den Gesamtkontext der Unternehmung eingebunden; wenig Budget; kein Verständnis der höheren Management-Ebene für die Notwendigkeit bzw. den Nutzen…
Aus der Theorie geprägte Definitionen bzw. Dichotomien des Begriffs Wissen finden faktisch keine Wiederverwendung in der Praxis (obgleich die gängige Unterscheidung zwischen Daten, Informationen und Wissen, sowie explizites und implizites Wissen absolut bekannt sind). Dies alleine ist nicht weiter tragisch, da jegliche brauchbare Definition idiosynkratisch geprägt ist und allgemeine Platzhalter wenig brauchbar sind. In diesem Zusammenhang sollten Praktiker allerdings verstärkt eine eigene Definition des Begriffs „Wissen“ anstreben: nur diese eigene Begriffsbestimmung ermöglicht eine angemessene Auswahl von WM-Methoden und erlaubt es dem Unternehmen strategisch mit Wissen umzugehen bzw. dieses tatsächlich zu managen. Aber auch hier sehen viele Praktiker schlichtweg nicht die Notwendigkeit – oft auch aufgrund ihres mangelnden Hintergrund- bzw. Basiswissen über WM.
Kurzer – provokanter - Einschub: Diese „Vorarbeiten“ (Definition des für ein Unternehmen oder Unternehmensbereich relevanten Begriffs „Wissen“ und anschließende Bestimmung von WM-Methoden) würden in (sehr) vielen Fällen dazu führen, den Einsatz von reinen IT-Tools abzulehnen oder den Einsatz dieser Tools zumindest ausreichend durch organisatorische und kulturelle Maßnahmen zu ergänzen. Dies würde höchstwahrscheinlich zu weniger eingesetzten IT-Lösungen führen und einiges an Frust und Problemen (z.B. schwer auffindbare bzw. veraltete Informationen oder Tools, welche nicht wirklich akzeptiert und genutzt werden) führen – oft zum Vorteil von WM-Praktizierenden und WM-Verantwortlichen.
(Nebenbei: Ein auf internationaler Ebene beobachtbarer Trend in der akademischen Ausbildung lässt allerdings hoffen: Kurse über WM – sogar ganze MBA-Programme – widmen sich verstärkt der praxis-nahen Vermittlung von WM-Inhalten. So ist z. B. der im deutschsprachigen mit dem Stichwort „Wissensbausteine“ assoziierte Buchtitel von Probst, Raub & Romhardt international an vielen Hochschulen Pflichtlektüre: Glasgow Caledonian University (Scotland) – course 2009 / Wroclaw University of Economics (Poland) – course Winter 08/09 / University of Westminster (UK) – course 2009 / University of Konstanz (Germany) – course Winter 07/08 / University of Jyväskylä (Finland) - course Summer 2008 / Fu Jen Catholic University (Taiwan) – course 2006 / Kasetsart University (Finland) – course 2005 / Dublin City University (Ireland) – course 2001))
Zum Abschluss
Es bleibt festzuhalten, dass generell ein deutlich zu dunkles/negatives Bild der WM-Bemühungen in Unternehmen gezeichnet wird. Dies gilt gerade dann, wenn mittels Online-Fragebögen lediglich „ja/nein“-Abfragen vorgenommen werden. Oft werden zum Teil klassische WM-Methoden erst nach wiederholtem Nachfragen und Erklären von dem Befragten erkannt und dann als quasi selbstverständlich abgetan! „Wer-kennt-wen“-artige Telefonbücher, lessons learned, best practices oder auch communities of practice werden durchaus durchgängig (in der einen oder anderen Form) genutzt – es fehlt schlichtweg das Verständnis, dass diese Dinge dem WM zugeordnet werden können und wie diese Dinge aus WM-Sicht systematisch angewandt werden sollten.
Daraus ergibt sich für die Theorie, aber auch z.B. für die Beratung im Bereich Wissensmanagement, dass es viel öfter um „Bündelung“ und „Ausrichtung“ vorhandener Bemühungen geht, als um ein „mehr von etwas Neuem“. Dieser Ansatz dürfte für Praktiker deutlich ermutigender und letztlich einfacher umsetzbar sein.
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Autor(en)
Dr. Carsten Held
Carsten Held (XING-Profil), Senior Consultant, work SKS Unternehmensberatung GmbH + Co.KG
Inhalt: DACH KM Newsletter 2010-12
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